Hochwasserkatastrophe

Massive Regenfälle und warme Temperaturen bis über 3000 Meter hinauf führten am frühen Morgen des 31. Juli 2014 zu einer massiven Bedrohungslage im ganzen Oberpinzgau. Innerhalb kürzester Zeit stiegen die Pegelstände an und überfluteten großflächig Felder und Siedlungen. Der Einsatz der Feuerwehr Neukirchen erstreckte sich über 60 Stunden. Die Aufräumarbeiten im Gemeindegebiet, speziell im Obersulzbachtal, werden Monate in Anspruch nehmen.

Alarmierung & Tag 1: Donnerstag, 31. Juli 2014

Der Bezirksfeuerwehrkommandant ließ um 02:30 Uhr die Kommandanten des Oberpinzgaus über die LAWZ informieren, dass die Pegelstände der Salzach bedrohlich ansteigen und Regenfälle bevorstehen. OFK Scheuerer befand sich an diesem Tag noch auf Urlaub. Somit führte OFK-Stv. Stefan Nill gemeinsam mit einigen Kameraden eine erste Erkundung durch. Zu der Zeit waren die Pegelstände zwar erhöht, jedoch noch nicht gefährlich für Landwirtschaft oder Siedlungen. Kurzzeitig hörte es sogar auf zu regnen und der Pegelstand der Salzach ist in Neukirchen um ca. 10 Zentimeter gesunken.

Gegen 03:30 Uhr morgens setzter massiver Regenfall ein und die Lage spitzte sich sehr schnell zu. OFK-Stv. Stefan Nill löste um 04:08 Gesamtalarm still für die Feuerwehr Neukirchen aus. Die erste Aufgabe der Einsatzkräfte war das Errichten des mobilen Hochwasserschutzes im Bereich Kohlhäuslgasse. Die Feuerwehr verfügte ausserdem noch über etwa 200 Sandsäcke, die bei einer Übung etwa drei Wochen früher gefüllt wurden. Diese transportierte die Mannschaft sofort Richtung Rosental. In weiterer Folge überschlugen sich die Ereignisse. Innerhalb von Minuten stiegen die Pegelstände über die Alarmgrenzen. Die Feuerwehr begann damit, umfangreiche Strassensperren im Bereich Rosental bzw. Sulzau zu errichten, da die Brücken bedroht bzw. bereits überflutet waren. In der Schottergrube der Firma Keil startete eine Fahrzeugbesatzung mit der Befüllung der Sandsäcke mit Hilfe unserer Füllmaschine. Um 04:38 veranlasste der Einsatzleiter Sirenenalarm für die Feuerwehr Neukirchen aus. Bis 06 Uhr wurden die Feuerwehren Wald & Krimml sowie die Bergrettung Neukirchen zum Assistenzeinsatz alarmiert. Am Vormittag waren somit bereits 110 Einsatzkräfte im Einsatz. Es meldeten sich auch zahlreiche Zivilpersonen bei der Zeugstätte, welche wir sehr dankbar an vielen Einsatzstellen, vor allem zum Befüllen der Sandsäcke einsetzten. Die Mannschaft in der Keilgrube wird an diesem Tag noch mehr als 5.000 Sandsäcke füllen…

In den Morgenstunden wird die Lage dramatisch. Im Bereich Rosental tritt die Salzach massiv über die Ufer. Die Dämme mussten aufgegeben werden. Die Rosentalschmiede und angrenzende Privathäuser stehen mitten in einem Fluss, der sich seinen Weg über Wiesen und Felder sucht. Der Obersulzbach steigt gefährlich an und bedroht den Ortsteil Sulzau. Der Dürnbach bringt große Wassermengen und massiv Material mit sich. Die Salzach kann das Geschiebe nicht mehr abtransportieren und somit treten an der Mündungsstelle des Dürnbachs ebenfalls große Wassermengen über die Ufer. Die Einsatzkräfte in der Neudau-Siedlung wurden von ebendiesen Wassermassen auf der eigentlich schützenden Seite des Bahndammes von hinten überholt. Die Kräfte der FF verließen diese Einsatzstelle umgehend. Einige Bewohner waren jedoch jetzt vom Wasser eingeschlossen. Eine Rettung durch die Kräfte der FF wäre zu gefährlich gewesen und somit veranlasste der Einsatzleiter die Evakuierung der sieben Personen mit Hilfe der Wasserrettung aus Mittersill, welche die Personen mittels Schlauchboot in Sicherheit brachte. Währenddessen steigt auch der Pegel des Untersulzbaches an und bedroht Privathäuser und Bauernhöfe. Rund um die Mittagszeit werden Hunderte Sandsäcke entlang des Ufers bzw. an den Häusern platziert. Etwa 600 Meter vor der Mündung reißt der Untersulzbach ein Loch in die Böschung und sucht sich seinen Weg durch die Felder. Menschen sind durch diese Situation glücklicherweise nicht bedroht. Auch im Bereich Kohlhäuslgasse sind mehrere Gebäude massiv vom Wasser bedroht.

Am späten Vormittag treffen erste Meldungen ein, dass sowohl im Ober- als auch im Untersulzbachtal massive Schäden dazu führten, dass Personen von der Aussenwelt abgeschnitten sind. Eine genaue Zahl ist zu diesem Zeitpunkt noch nicht bekannt. Die Alpinpolizei beginnt mit der Erhebung. Ein Erkundungsflug wird vorbereitet. Am frühen Nachmittag trifft der behördliche Einsatzleiter gemeinsam mit den überregionalen Führungskräften der Feurwehr in Neukirchen ein. In einer ersten Lagebesprechung werden die Einsatzstellen und die weitere Vorgehensweise besprochen. Als erste Akutmaßnahme wird ein Bagger im Bereich Siggen (Obersulzbachtal) positioniert, welcher eine Fußgängerbrücke entfernt und den Damm verstärkt. Die Lage in der Sulzau ist noch immer bedrohlich. Im restlichen Ortsgebiet beginnt sie sich auf hohem Niveau zu stabilisieren. Erste Verschnaufpause.

Im Laufe des Nachmittages bessert sich das Wetter so weit, dass erste Erkundungsflüge mittels Hubschrauber des BM.I. möglich sind. Das Schadensausmaß im Obersulzbachtal ist verheerend. Erhebungen zeigen, dass insgesamt 70 Personen in Ober- und Untersulzbachtal eingeschlossen sind. Die Behörde beschließt, die Bewohner der “Hofrat Keller-Hütte” (kurz vor der Postalm) noch am selben Tag zu evakuieren, da das Gebäude nur knapp von einer Mure verschont blieb und man hier kein Risiko eingehen wollte. In insgesamt 10 Flügen wurden 28 Personen ins Tal gebracht.

Ebenfalls im Laufe des Nachmittages trafen Kräfte des Katastrophenzuges Pinzgau ein. Dieser Zug stellt sich aus Fahrzeugen aller Feuerwehren zusammen und wird im Katastrophenfall in die betroffene Region in Bewegung gesetzt. In Neukirchen konnte jedoch vorerst nur abgewartet werden, da die Pegelstände sich zwar mittlerweile (16 Uhr) stabilisiert hatten, jedoch von Aufräumarbeiten noch keine Rede sein konnte. Die Kräfte aus Wald und Krimml rückten im Laufe des Nachmittages wieder ein. Die Feuerwehr Neukirchen begann mit den Vorbereitungen für den nächsten Tag. Für den Großteil der Mannschaft endete der Einsatz-Tag um 20 Uhr.

Für einen Teil der Mannsschaft wird jedoch die Nacht zum Tag gemacht. Mittels Tauchpumpen und TS schützt eine kleine Mannschaft bereits den ganzen Tag die örtliche Trinkwasserversorgung im Bereich Blausee vor Schmutzwassereintritt (Präventivmaßnahme). Die erhöhten Pegelstände machen ein dauerhaftes Abpumpen des Überwassers notwendig. Für die Nacht wird ein Schichtbetrieb festgelegt. Die Pumpen in diesem Bereich sind insgesamt 40 Stunden durchgehend im Betrieb.

Ebenfalls noch in der Nacht nehmen Bagger und Muldenkipper der Firma Keil ihre Arbeit im Bereich Rosental auf, um den Bahndamm provisorisch zu sanieren. Für den nächsten Tag sind Gewitter prognostiziert und somit gilt es, diese gefährliche Situation so schnell wie möglich in den Griff zu bekommen.

Einsatzdaten Feuerwehr Tag 1:
FF – Neukirchen:  47 Mann mit 5 Fahrzeugen
FF- Krimml: 30 Mann mit 3 Fahrzeugen
FF-Wald: 17 Mann mit 3 Fahrzeugen
Kat Zug 1 Pinzgau: 3 KLF und 1 MTF mit 29 Mann
Einsatzleiter: OBI Stefan Nill

Tag 2: 1.8.2014

Kräfte des Katastrophenzuges aus dem Bereich Saalfelden und Maria Alm sowie der Feuerwehr Wald stehen uns bei den Aufräumarbeiten zur Seite. Die Einsatzabschnitte werden eingeteilt. Kohlhäuslgasse, Neudau & Rosentalschmiede sind die zentralen Stellen, wo Aufräumarbeiten notwendig sind. Es gilt, sich einen Überblick über die Schäden zu verschafften, Keller auszupumpen bzw. auszuräumen, Straßen vom Schlamm zu befreien und die am Vortag verlegten Sandsäcke wieder einzusammeln.

An diesem zweiten Tag startet auch eine umfangreiche Evakuierungsaktion aus den Sulzbachtälern. Alle Gäste werden ins Tal gebracht bzw. teilweise notwendige Lebensmittel auf die Schutzhütten geflogen. Zwei Hubschrauber des Innenministeriums übernehmen diese Aufgabe. Die Organisation wird von der Alpinpolizei übernommen.

Behördliche und politische Vertreter treffen in Neukirchen ein um sich ein Bild der Schadenslage zu machen und Maßnahmen festzulegen. Aus dem Obersulzbachtal werden drei Tote Kühe auf Sandbänken gemeldet. Eine Hubschrauberbesatzung der Firma Wucher übernimmt die Bergung. Kameraden der FF helfen bei der Lokalisation bzw. der Einteilung der Landeplätze.

Die umfangreichsten Aufräumarbeiten finden im Bereich der Rosentalschmiede bzw. den anliegenden Privathäusern statt. 10 Mann des Jägerbatallions aus Saalfelden stehen den Bewohnern neben den Kräften der FF und vielen Freiwilligen zur Seite. Die letzten Einsatzkräfte der FF Neukirchen rücken um 23:30 Uhr in die Zeugstätte ein.

Einsatzdaten Feuerwehr Tag 2:
FF-Neukirchen: 36 Mann mit 5 Fahrzeugen
TLF 1 Saalfelden: 8 Mann
LF Harham: 4 Mann
KLF Letting: 7 Mann
TLF Maria Alm: 6 Mann
TLF Wald: 1 Mann
Einsatzleiter: HBI Thomas Scheuerer

Tag 3: 2. 8. 2014

Der letzte Tag des Hochwassereinsatzes sieht noch einige Aufgaben und Überraschungen für uns vor. Die Milch von den Almen im Obersulzbachtal muss aus der Luft abtransportiert werden. Die Kräfte der FF Neukirchen übernehmen die Koordination des Einsatzes gemeinsam mit den Kräften der Firma Heli Austria. In mehreren Transportflügen wird die Milch ins Tal, und Lebensmittel auf den Berg gebracht.

Ausserdem gilt es, die Fahrzeuge und die Ausrüstung der Feuerwehr Neukirchen wieder einsatzbereit zu machen. Gerät und Fahrzeuge werden gereinigt. Ausserdem werden noch Sicherungsmaßnahmen an den Ufern der Flüsse koordiniert und eingeleitet, um für die vorhergesagten Regenfälle der nächsten Tage gerüstet zu sein.

Am frühen Nachmittag, nachdem die meisten Kameraden bereits den Einsatz beendet hatten, alarmierte uns die LAWZ zu einem weiteren Einsatz. Im Keller eines Wohnhauses, dass in den letzten Tagen nicht bewohnt war, standen 40 Zentimeter Wasser. Sechs Kameraden rückten mit PUMPE und KOMMANDO aus, pumpten den Keller leer und räumten ihn aus. Noch während des Einsatzes wurde OFK Scheuerer während einer Begehung mit Bürgermeister und AFK von der Wildbach- und Lawinenverbauung darüber in Kenntnis gesetzt, dass der Fußweg zur Kampriesenalm Risse bekommt, und ein Teil des Hanges abzurutschen droht. Umgehend veranlasste der Einsatzleiter eine Sperrung des Fußweges als Sofortmaßnahme. Kräfte der Feuerwehr und des Bauhofes errichteten dann eine provisorische Umleitung. Ausserdem wurde die Bergrettung Neukirchen alarmiert, welche eventuell weniger trittsichere Fußgänger auf der eher unwegsamen Umleitungsstrecke begleitet und sichert. Um 18:30 Uhr war für die Feuerwehr Neukirchen auch dieser letzte Einsatz abgeschlossen, alles Gerät versorgt und die volle Einsatzbereitschaft hergestellt.

Einsatzdaten Feuerwehr Tag 3:
FF-Neukirchen: 21 Mann mit 3 Fahrzeugen
Einsatzleiter: HBI Thomas Scheuerer

Abschließende Bemerkung

Eine derartige Hochwasserkatastrophe ist für die Feuerwehr eine unglaublich komplexe und teilweise gefährliche Aufgabe. Es läuft, zum Schutze unserer Bevölkerung,  in so einem Fall eine Maschinerie an, die für den “Normalbürger” unvorstellbar ist. Wir möchten uns auf diesem Wege bei den Kameraden der Feuerwehren Krimml, Wald, Maria Alm & Saalfelden (Harham, Letting & Hauptwache), den Landes-, Bezirks- und Abschnittsfeuerwehrkommandanten der Feuerwehr, den Kameraden der Bergrettung, der Alpinpolizei sowie den behördlichen Vertretern von Bezirkshauptmannschaft & Gemeinde für die rasche, unbürokratische und kompetente Hilfe danken. Ganz speziell möchten wir auch den freiwilligen Helfern, die zum einen unsere Einsatzkräfte mit Essen & Trinken versorgt, zum anderen tatkräftig beim Sandsäcke füllen oder direkt bei den Betroffenen mitgeholfen haben, bedanken. Dieser Zusammenhalt gibt Kraft für zukünftige Aufgaben.

Getreu unserem Leitspruch: “Gott zur Ehr, dem nächsten zur Wehr”. VERGELT’s GOTT!

Für die Feuerwehr Neukirchen
LM Klaus Schwarzenberger

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